Baz Luhrmann ist ein Meister des Patchworks. In "Moulin Rouge" verwob er bekannte Popsongs so elegant zu einem neuen Mucial-Kunstwerk, dass acht Oscar-Nominierungen dabei heraussprangen. Auch in "Australia" sind die Versatzstücke bekannt: Von "Vom Winde verweht" über "Red River" und "Giganten" bis zum Aborigine-Drama "Der lange Weg nach Hause" und "Pearl Harbor" findet man viele Vorbilder aus der Filmgeschichte.Die einzige offene Hommage geht allerdings an "Das zauberhafte Land". Die Kinderbuch-Verfilmung und ihr legendäres "Somewhere over the Rainbow" zieht sich wie ein roter Faden durch die den Zweiten Weltkrieg umspannende Geschichte. Eine treffende Wahl, schließlich gerät die kleine Dorothy dort in das magische Oz - ein liebevoller Name, der sich im Englischen auch für Australien eingebürgert hat. Dort trifft im Jahr 1939 die englische Aristokratin Lady Sarah Ashley (Nicole Kidman) ein, um ihren Ehemann unter Druck zu setzen, die unprofitable Farm Faraway Downs zu verkaufen. Doch der liegt tot auf dem Küchentisch - angeblich ermordet von dem wilden Aborigine King George (David Gulpilil). Tatsächlich steckt jedoch Verwalter Neil Fletcher (David Wenham) hinter der Tat. Er hat das Land veröden lassen und das Vieh vertrieben, um Rinderbaron Carney (Bryan Brown) die Farm günstig zu verschaffen. Als Madame Ashley den Betrug entdeckt, jagt sie Fletcher von ihrem Land und engagiert einen Viehtreiber (Hugh Jackman), um die Rinder wieder einzufangen und in die Küstenstadt Darwin zu treiben. Sollten die Lady und der Tramp die Herde dort rechtzeitig abliefern, könnten sie Carney den profitablen Vertrag zur Kriegsversorgung der australischen Armee entreißen. Das schmeckt dem Rinderbaron überhaupt nicht… Allein dieser in opulenten Bildern und packenden Szenen eingefangene Viehtrieb bietet mehr Gänsehautmomente als mancher komplette Kinojahrgang - und dabei nimmt er gerade mal die erste Hälfte des Films ein. Denn bald folgt der Angriff der Japaner, und der Film wandelt sich vom Western zum Kriegsdrama. Die bereits im Trailer angedeutete epische Romanze zwischen Kidman und Jackman verbindet die beiden Abschnitte, doch sie bildet nicht die wichtigste Beziehung des Films. Diese ist Sarah Ashley und dem kleinen Halb-Aborigine Nullah (eine grandiose Neuentdeckung: Brandon Walters) vorbehalten. Auf Faraway Downs aufgewachsen, ist er überzeugt, wie sein Großvater King George magische Fähigkeiten zu besitzen. Als seine Mutter tödlich verunglückt, entwickelt Sarah Muttergefühle für den kleinen Jungen, muss aber lernen, dessen Aborigine-Wurzeln zu akzeptieren. Es ist dieser Aspekt, der Baz Luhrmann wohl am meisten am Herzen gelegen hat. Denn sein Film ist auch als Aussöhnungsgeste mit der sogenannten gestohlenen Generation zu verstehen. Bis Anfang der 70er-Jahre wurden gemischtrassige Kinder in Australien ihren Eltern entrissen, zwangsmissioniert und weißen Familien zugeführt. Erst im Februar 2008 konnte sich die australische Regierung zu einer formellen Entschuldigung durchringen. Glücklicherweise greift Luhrmann dieses traurige Kapitel australischer Geschichte nicht mit dem Holzhammer auf, sondern gibt es rührend und unterschwellig seiner Story bei. Die hätte allerdings trotz aller großen Momente ruhig kürzer als 165 Minuten ausfallen dürfen. Vor allem die anfänglichen komödiantischen Elemente erweisen sich als nervender Fremdkörper. Doch die großartigen Schauspieler (glücklicherweise sprang Russell Crowe ab und wurde durch Hugh Jackman ersetzt) und vor allem die umwerfenden Bilder machen das locker wett. Wer nach diesem Film nicht nach Australien auswandern will, hat in seinem Leben nie Fernweh gehabt. |